Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Ist das Coronavirus „gut“ für den Klimawandel? Die Frage geht am Thema vorbei.

31.03.2020

Kathleen A. Mar

Dr. Kathleen A. Mar

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Stickstoffdioxid-Konzentrationen über Italien vom 14. bis 25. März 2020, verglichen mit den monatlichen Durchschnittskonzentrationen von 2019.
Stickstoffdioxid-Konzentrationen über Italien vom 14. bis 25. März 2020, verglichen mit den monatlichen Durchschnittskonzentrationen von 2019.

Das Coronavirus (Covid-19) und seine Auswirkungen bestimmen nicht nur die Nachrichten, sondern das tägliche Leben fast überall auf der Welt.  Daher ist es keine Überraschung, dass viele über die Folgen der Pandemie für den Klimaschutz nachdenken.

Die einen scheinen die globale Abschottung als Gewinn für Natur und Klima zu feiern. Sie weisen dabei auf eine deutliche Verringerung von Umweltverschmutzung und Treibhausgas-Emissionen hin, Folgen des wirtschaftlichen Shutdowns und von Veränderungen im Lebensstil. Das Wasser in den Kanälen von Venedig ist laut Medienberichten so klar geworden ist, dass die Fische am Grund sichtbar sind. Karten der NASA zeigen, dass die Stickstoffdioxid-Verschmutzung (NO2) um 10 bis 30 Prozent geringer ist als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Ein Wissenschaftler hat prognostiziert, dass die verringerte Luftverschmutzung in China, eine Folge des Rückgangs von industriellen und anderen wirtschaftlichen Aktivitäten, mehr Leben retten könnte, als Menschen wegen Covid-19 sterben.

Kein Grund zum Feiern

Dennoch wäre es eine Absage an unsere Menschlichkeit, wenn wir eine Pandemie, die Hunderttausende von Menschen tötet, feiern würden. Klimaschutz sollte menschliches Leid verringern und Leben retten. Wirtschaftskrisen und Krankheiten sind keine tragfähigen Strategien zur Eindämmung des Klimawandels. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass der derzeitige Rückgang der Emissionen von Dauer sein wird, und eine wirtschaftliche Rezession gefährdet Investitionen in saubere Energie und erschwert die Finanzierung anderer Klimaschutz- und Anpassungsprojekte.

Der derzeitigen Debatte fehlt der Blick für die großen Zusammenhänge: Die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sind tiefgreifend und weitreichend – von der Gefährdung der Ernährungssicherheit über Krankheiten, die von Moskitos und anderen Überträgern verbreitet werden, bis hin zu vermehrten Todesfällen durch häufigere und stärkere Hitzewellen. Diese Auswirkungen sind in der Wissenschaftscommunity bekannt, und doch ist die Gesundheit noch nicht in den Mittelpunkt der Klimapolitik gerückt. Klimaexperten präsentieren die Gesundheits- und Klima-Agenda weiterhin, als ob sie zwei verschiedene Sachen wären. Warum bekämpfen wir die Klimakrise überhaupt? Ist sie nicht dazu da, unser Leben auf einem gesunden Planeten zu schützen?

Stickstoffdioxid-Konzentrationen über Frankreich.
Stickstoffdioxid-Konzentrationen über Frankreich.

Klima und Gesundheit: zwei Seiten einer Medaille

Die Klimakrise und der Gesundheitsnotstand sind zwei Seiten derselben Medaille. Das Risiko, ihre Verflechtungen zu ignorieren, sind zu hoch. Diese Pandemie bietet uns eine schmerzliche, aber wichtige Gelegenheit, unsere sozialen und wirtschaftlichen Systeme neu zu gestalten und zwar  auf der Grundlage dessen, was wirklich zählt: die planetare Gesundheit. Wir müssen uns der Tatsache bewusst werden, dass die Gesundheit der Menschen und die Gesundheit des Planeten untrennbar miteinander verbunden sind; dass unsere natürlichen Ökosysteme die wichtigsten Elemente sind, die das Leben auf diesem Planeten ermöglichen.

Diese Pandemie wird vorübergehen. Aber andere werden kommen. Wie Yuval Noah Harari es ausdrückte: „Das Coronavirus ist eine große Bewährungsprobe für die Staatsbürgerschaft.“ Jeder Einzelne kann etwas bewegen, aber wir brauchen auch einen globalen Aktionsplan. Wie unsere Regierungen während und nach dieser Pandemie ihre Ressourcen einsetzen, wird den größten Einfluss auf unsere Fähigkeit haben, die Zukunft auf der Grundlage dessen zu gestalten, was wirklich zählt. Konkrete Vorschläge werden bereits gemacht: Die Internationale Energieagentur (IEA) schlug beispielsweise vor, Subventionen in fossile Brennstoffe zurückzufahren oder zu streichen. Das Geld könne stattdessen in die Gesundheitsversorgung fließen.

Diese Pandemie hat gezeigt, wie fragil unsere Wirtschaftssysteme sind. Vielleicht kann diese Erkenntnis in die Forderung nach einer nachhaltigeren Lebensweise umgewandelt werden. Denn eine gute Gesundheit ist die Grundlage für alle unsere Handlungen, einschließlich unserer wirtschaftlichen Aktivitäten. Die kollektive Anerkennung dieser Tatsache  wäre ein positives Ergebnis dieser tragischen Gesundheitskrise.

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