Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Schutz der Meeresumwelt: Ein internationales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung

04.10.2023

Die Verschmutzung durch Plastik gefährdet die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit. Unter der Schirmherrschaft der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) wird derzeit ein internationales Abkommen ausgehandelt, das einen umfassenden Rechtsrahmen zur Bekämpfung der Plastikvermüllung, auch in der Meeresumwelt, bieten soll. In der RIFS-Forschungsgruppe „Governance der Ozeane“ verfolgen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Verhandlungsprozesse und untersuchen die Rolle des künftigen Abkommens für die Meeres-Governance, welche die rechtlich-institutionelle Steuerung der Nutzung und des Schutzes der Meere umfasst.

Ein internationales Plastikabkommen mit Bezug zur Meeresumwelt

Die Verschmutzung durch Plastik ist auf menschliche Aktivitäten sowohl an Land als auch im Meer zurückzuführen. Dazu gehören die Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen sowie die Verwendung von Kunststoffen in der Fischerei (z.B. für Fanggeräte), in der Schifffahrt, im Straßenverkehr (z.B. Autoreifen), in der Landwirtschaft, in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Verpackungsindustrie und im Tourismus. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane, wobei landseitige Aktivitäten die Hauptquelle des Plastikmülls im Meer ausmachen. Zu den negativen Auswirkungen zählen die Schädigung von Lebewesen und Ökosystemen und der Verlust biologischer Vielfalt, einschließlich des Verfangens und Verschluckens von Plastikabfällen durch Meereslebewesen. Dabei ist der Erhalt eines gesunden Ozeans essenziell für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen wie Nahrung, Sauerstoffproduktion und Klimaregulierung.

Um dem Problem der zunehmenden Plastikverschmutzung mit einem global wirksamen Ansatz entgegenzutreten, muss der gesamte Lebenszyklus von Kunststoffen berücksichtigt werden. Dazu gehören die Produktion, der Transport und die Verwendung von Kunststoffen ebenso wie eine funktionierende Abfallwirtschaft und Recycling. Ein umfassender Lösungsansatz muss sich darüber hinaus auch mit chemischen Schadstoffen befassen, das Problem von Altkunststoffen angehen, land- und meeresbasierte Quellen der Plastikverschmutzung mit einbeziehen und ganzheitliche, transdisziplinäre Lösungen anbieten, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette von Kunststoffen beziehen. Indem sich akademische und nichtakademische Akteure gemeinsam mit dem Problem auseinandersetzen und Lösungen für eine wirksame Reduktion der Plastikverschmutzung erarbeiten, können integrative und transformative Prozesse auf den Weg gebracht werden. 

Die Notwendigkeit eines umfassenden internationalen Plastikabkommens

Mit der Resolution 5/14 der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) aus dem Jahr 2022 wurde ein zwischenstaatlicher Verhandlungsausschuss (INC) eingesetzt, der nach fünf Verhandlungsrunden bis Ende 2024 ein internationales und rechtsverbindliches Instrument erarbeiten soll, welches den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen abdeckt.

Etwa 60 Prozent der seit 1950 produzierten Kunststoffe sind in der natürlichen Umwelt gelandet. Die Plastikverschmutzung gelangt vom Land aus über Flüsse, durch Regenwasserabfluss, Wind und Vermüllung in die Meere. Das nun verhandelte internationale Abkommen zielt darauf ab, das Problem der Plastikverschmutzung umfassend anzugehen, da die derzeitig bestehende Vielzahl an Instrumenten das Problem nur unzureichend, auf bestimmte Phasen des Plastiklebenszyklus fokussiert oder speziell auf Meeresmüll bezogen angeht. Dies führt zu einer fragmentierten Regulierung, die nur bestimmte Regulierungsebenen, Sektoren oder Phasen des Lebenszyklus von Kunststoffen abdeckt. Zum Beispiel beinhaltet Anlage V des Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen) auf internationaler Ebene ein Verbot der Entsorgung von Plastik ins Meer. 

Regionale Meeresübereinkommen, wie dem Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (Oslo-Paris Konvention, OSPAR) befassen sich mit dem Problem der Plastikverschmutzung auf regionaler Ebene und hier, auch mit Einträgen aus landseitigen Quellen. Auf EU-Ebene zielt die EU-Strategie für Kunststoffe darauf ab, die Meeresverschmutzung, durch die Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Kunststoffen, eine Reduzierung von Einwegkunststoffen und Plastikabfällen und die Förderung biobasierter und kompostierbarer Alternativen zu verringern. Darüber hinaus wurden in vielen Ländern nationale Kunststoffverbote, etwa für Einwegplastik und Plastiktüten, erlassen, um deren Eintrag in die Meeresumwelt zu verhindern. Trotz unterschiedlicher Maßnahmen könnten durch Koordinierung, auch auf internationaler Ebene, die vielfachen Bestrebungen harmonisiert werden. 

Überblick über die Vorbereitungen zu den Vertragsverhandlungen

Vor dem Beginn der Vertragsverhandlungen im Jahr 2022 wurde 2017 von der UNEA eine Expertengruppe eingesetzt, um verschiedene Optionen für globale Maßnahmen zur Beendigung von Meeresmüll und Plastikverschmutzung zu untersuchen. Im Jahr 2019 stimmte eine Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten bei der Jahressitzung der UNEA zu, gemeinsam auf ein globales Abkommen gegen Plastik im Meer hinzuarbeiten. Parallel dazu veröffentlichte eine Gruppe von 29 globalen Unternehmen ein Wirtschaftsmanifest zur Unterstützung eines solchen Abkommens. Im Jahr 2022 erklärten 156 Staaten ihre Unterstützung für ein internationales Plastikabkommen, was zur Annahme der UNEA-Resolution 5/14 im März 2022 durch die UN-Mitgliedstaaten führte. Darüber hinaus haben Norwegen und Ruanda zusammen mit 18 weiteren Staaten eine globale Koalition zur Beendigung der Plastikverschmutzung bis 2040, die High Ambition Coalition to End Plastic Pollution by 2040 (HAC), ins Leben gerufen, der auch die EU angehört. Die HAC deckt alle Regionen weltweit ab und setzt sich für ein globales Abkommen mit verbindlichen Bestimmungen entlang des gesamten Lebenszyklus ein, das nicht nur die Produktion und den Verbrauch von Plastik reduziert, sondern auch unnötige, vermeidbare oder problematische Kunststoffprodukte eliminiert und einschränkt sowie klare Zielvorgaben macht. Dazu gehören auch Beschränkungen für bestimmte gefährliche Chemikalien und die Einführung von Verboten für problematische Kunststoffprodukte, die schwer zu recyceln sind.

Die Vertragsverhandlungen

Im Anschluss an die UNEA-Resolution 5/14 fand vom 28. November bis zum 02. Dezember 2022 in Punta del Este (Uruguay) die erste formelle Verhandlungsrunde statt. Der ersten Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-1) gingen regionale Konsultationen und ein Multi-Stakeholder-Forum voraus. Mehr als 2300 Delegierte aus 160 Ländern versammelten sich, um eine gemeinsame Grundlage für den Geltungsbereich und die Umsetzung des künftigen Vertrags zu finden. Als Ergebnis der Verhandlungen forderte der Ausschuss das INC-Sekretariat auf, vor der zweiten Verhandlungsrunde einen Entwurf mit Optionen für Elemente vorzulegen, die in das Instrument aufgenommen werden sollen. Dieser Entwurf umfasst Kernverpflichtungen, Kontrollmaßnahmen, freiwillige Ansätze, Mittel zur Umsetzung und sowohl rechtsverbindliche als auch freiwillige Maßnahmen.

Die zweite Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-2), die vom 29. Mai bis zum 02. Juni 2023 in Paris (Frankreich) stattfand, umfasste hauptsächlich Beiträge zu Verfahrensfragen, da einige Delegationen auf eine Abstimmung durch Konsens bestanden. Trotz dieser verfahrenstechnischen Auseinandersetzungen einigten sich die Mitgliedsstaaten auf ein Mandat für die Ausarbeitung eines Nullentwurfs des Vertrags, der die Grundlage für die dritte Verhandlungsrunde bildet. Während viele Länder Bestimmungen zur Begrenzung der Primärproduktion von Kunststoffen befürworten, wurde die dritte Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-3), die vom 13. bis 19. November 2023 in Nairobi (Kenia) stattfand, von einer kleinen Gruppe gleichgesinnter Länder blockiert, welche die Plastikverschmutzung mit nachgeschalteten Maßnahmen wie Abfallbehandlung und Recycling bekämpfen wollen. Während insgesamt aufgrund mangelnder Müllsammlung, Vermüllung des öffentlichen Raums, sowie unzureichender Mülldeponien eine unzureichende Plastikmüllbewirtschaftung besteht, liegt die eigentliche Ursache des Problems in der Produktion und dem Verbrauch von Plastik, welche letztlich die nachgelagerte Plastikverschmutzung der Umwelt einschließlich des Ozeans bewirken.

Zu den wichtigsten Ergebnissen der INC-3 gehört das Mandat zur Ausarbeitung eines überarbeiteten Entwurfs, der auf den Zusammenfassungen der Diskussionen und schriftlichen Eingaben während der Verhandlungen basiert. Der überarbeitete Entwurf wird die Grundlage für die nächste Verhandlungsrunde (INC-4) bilden, die vom 21. bis 30. April 2024 in Ottawa (Kanada) stattfinden wird. Darauf folgt die letzte Verhandlungsrunde (INC-5) vom 25. November bis 01. Dezember 2024 in Busan (Südkorea).

Der Verhandlungsprozess hat vielfache staatliche Interessen und Positionen zum Vorschein gebracht, die sich in unterschiedlichen Gruppierungen und Koalitionen manifestieren. Die Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (GRULAC) unterstützt beispielsweise Bestimmungen zur Reduzierung und Vermeidung von Plastikproduktion und somit der Vorbeugung von Plastikeintrag in die Meeresumwelt. Die Afrikanische Gruppe setzt sich für einen Vertrag ein, der Bestimmungen für Altkunststoffe enthält, welche bereits in der (Meeres-) Umwelt vorzufinden sind und nicht wiederverwendet oder recycelt werden können. Dies steht im Gegensatz zur Position der petrochemischen Industrie, die unter anderem als Mitglieder nationaler Delegationen aktiv an den Verhandlungen teilnimmt und deren primärer Fokus auf mechanischem und chemischem Recycling und der Einführung von Recyclingquoten zur Vermeidung von Kunststoffabfällen liegt. Umweltorganisationen wiederum kritisieren diese einseitige Fokussierung auf die Abfallwirtschaft. Wissenschaftler*innen betonen die Notwendigkeit eines Vertrags, der auch Ökosysteme miteinbezieht, die von der Plastikverschmutzung betroffen sind. Neben Staaten, die einen Top-Down-Ansatz bevorzugen, gibt es auch Länder, die für einen freiwilligen Ansatz auf der Grundlage nationaler Aktionspläne und der jeweiligen Möglichkeiten der Länder eintreten, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen.

Den Verhandlungsrunden stehen weiterhin große Herausforderungen bevor, darunter die Notwendigkeit, Konsens zwischen den Staaten bezüglich rechtsverbindlicher Verpflichtungen zu finden und einen hohen Maßstab anzusetzen, der sich im Vertrag widerspiegelt. Da keine Einigung über ein Mandat für die Zusammenarbeit im Vorfeld der INC-4 erzielt werden konnte, werden wichtige Zwischengespräche nicht stattfinden. Offene Fragen gibt es auch noch in Bezug auf die Suche nach einem geeigneten Finanzierungsmechanismus und die künftige Umsetzung des Instrumentes, unter anderem in Bezug auf Berichterstattungsverfahren und gemeinsame Definitionen, wie z. B. problematische und vermeidbare Kunststoffpolymere und -produkte, Mikroplastik und Kreislauffähigkeit. Diese Fragen müssen beantwortet werden, um den Textentwurf auf der INC-4 voranzubringen und den ehrgeizigen Zeitplan für die Vertragsverhandlungen einzuhalten.

Erfahren Sie mehr über die Arbeit des RIFS zum Thema Governance der Ozeane

Unsere Arbeit - neue Ideen für den Meeresschutz

Einer der Forschungsschwerpunkte am RIFS beschäftigt sich mit Fragen rund um die Governance der Ozeane für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz des Ozeans. Governance beschreibt dabei die Art und Weise, wie Regierungen, Gemeinschaften, Industrien und andere Interessengruppen interagieren und die Aktivitäten im Meer durch nationales und internationales Recht, Gewohnheiten, Traditionen und Kultur sowie die von ihnen geschaffenen Institutionen und Prozesse steuern. Die Forschungsgruppe Governance der Ozeane, bestehend aus Forscherinnen und Forschern verschiedener Disziplinen, arbeitet diesbezüglich an einer Reihe von Projekten, um neues Wissen und Lösungen für die wichtigsten Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Zu diesen Projekten gehören unter anderem die folgenden zwei EU-Projekte zum Thema Meeresverschmutzung:

  • Das Projekt Source to Seas Zero Pollution 2023 (SOS-ZEROPOL2030) zielt darauf ab, einen ganzheitlichen, von Interessengruppen geleiteten Rahmen für die Nullverschmutzung zu entwickeln, der die EU auf dem Weg zur Nullverschmutzung der europäischen Meere bis 2030 leitet. Das Projekt zielt darauf ab, die bestehenden Hindernisse für eine erfolgreiche Politik zur Verringerung der Verschmutzung zu beschreiben und bewährte Verfahren für wirksame Maßnahmen zu ermitteln, mit den wichtigsten Interessengruppen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam politische Möglichkeiten zu ermitteln, sowie gemeinsam einen praktischen Fahrplan zu entwickeln, der den Übergang zu sauberen europäischen Meeren leitet. Das Projekt wird vom University College Cork (UCC) koordiniert und mit neun Partnern aus ganz Europa durchgeführt, darunter auch das RIFS in Potsdam. Das RIFS wird die Entwicklung eines strategischen Rahmens für die Nullverschmutzung leiten, um einen Governance-Prozess zur Verhinderung und Verringerung der Verschmutzung der Meere und zur Erreichung des Ziels der Nullverschmutzung zu skizzieren.
  • Das Projekt Multi-layer Governance Performance of Marine Policies (PermaGov) umfasst eine Fallstudie zur Plastikverschmutzung in der Ostsee und zu zwei Themen des Green Deal der EU, Null-Verschmutzung und Kreislaufwirtschaft. PermaGov wird analysieren, auf welche die Art und Weise regionalen Meeresübereinkommen Meeresmüll bekämpfen, beispielsweise über Sektor- und grenzübergreifende Zusammenarbeit und Überwachung.
  • Des Weiteren forscht die RIFS-Forschungsgruppe Governance der Ozeane zu Ansätzen der EU für Meerespolitik und Governance, um den Green Deal für die europäischen Meere zu verwirklichen (CrossGov) und die Einführung ökosystembasierter Managementansätze zu beschleunigen (MarineSABRES), beschäftigt sich mit den Herausforderungen ozeanbasierter negativer Emissionstechnologien für die Meeres-Governance (OceanNETs) und entwickelt eine regionale Plattform für die Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen (Marine Regions Forum).

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