Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Antipopulismus ist keine wirksame Strategie für die Zukunft

05.03.2022

Einer der neuen IASS Fellows dieses Jahres ist John M. Meyer von der California Polytechnic State University an der Nordküste Kaliforniens (USA). Er ist dort Professor für Politik an und brachte zwei interdisziplinäre Studiengänge mit auf den Weg: Einer mit dem Schwerpunkt auf Macht und Privilegien in Umweltstudien und der andere mit Fokus auf Umwelt und Gemeinschaft. Er war zudem maßgeblich daran beteiligt, den Forschungsbereich der politischen Umwelttheorie zu gründen. Derzeit befasst sich Meyer mit dem Thema Populismus, wozu er hier einige Antworten gibt. 

IASS Fellow Prof. John M. Meyer von der California Polytechnic State University, Humboldt.
IASS Fellow Prof. John M. Meyer von der California Polytechnic State University, Humboldt.

Was meinen Sie, wenn Sie vom "zweideutigen Versprechen des Klimapopulismus" sprechen?
Prof. John M. Meyer: Populismus kann mehr bedeuten als Desinformation, mehr als eine ausgrenzende Stimmung. Im Kern dreht sich "Populismus" um einen Konflikt zwischen einer Gruppe, die als "das Volk" bezeichnet wird, und einer anderen Gruppe, die "Elite" genannt wird. Dieselbe Dynamik lässt sich bis zu einem gewissen Grad im Klimaaktivismus und speziell im Aktivismus für Klimagerechtigkeit beobachten, wo wir Elemente des populistischen Arguments "das Volk gegen die Eliten" finden. Aber in Europa und Nordamerika wird Populismus derzeit weitgehend mit der radikalen Rechten in Verbindung gebracht. Einer der Fehler, den viele Aktivisten und Akademiker machen, wenn sie auf den autoritären Populismus, wie er richtig heißt, reagieren, ist, dass sie auf einen antipopulistischen Diskurs zurückgreifen, der an Vorstellungen von Konsens und Ideen festhält, wie die Politik vor dem Aufstieg von Trump und anderen autoritären Figuren und Phänomenen war. Aber Antipopulismus ist keine wirksame Strategie für die Zukunft. Deshalb suche ich nach Möglichkeiten, die diesen Populismus aufgreifen, anstatt ihn einfach abzulehnen.

Was ist die wirksame Antwort auf Populismus?
J. M.: Diese Frage ist schwieriger zu beantworten. Was mich interessiert, ist die Art und Weise, wie wir im weiteren Sinne darüber nachdenken können, was als Populismus gilt. Ein Beispiel: Eines der Argumente, die gegen autoritäre Populisten vorgebracht werden, ist, dass sie die Wissenschaft und das Thema Klimawandel politisiert haben. Das Gleiche geschah im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und der Frage der Impfstoffe und Impfvorschriften. Viele Menschen haben darauf reagiert, indem sie sich auf den wissenschaftlichen Konsens konzentrierten und ein Verständnis von Wissenschaft und Politik als Mittel zur Erzielung von Übereinstimmung und Konsens verteidigten. Das kann jedoch in eine bestimmte Art von Falle führen, in der wir davon ausgehen, dass die Wissenschaft all diese Probleme lösen kann und wird, wenn die Menschen nur auf die Wissenschaftler hören würden.


Im Zuge der Pandemie haben sich unerwartete Allianzen zwischen Aktivisten aus dem linken und rechten Randbereich gebildet. Ist das eine gefährliche Entwicklung?
J. M.: Sie kann durchaus gefährlich sein. Das Auftauchen dieser "strange bedfellows", wie wir im Englischen sagen, spiegelt die Schwächung der etablierten politischen Parteien und Ideologien wider, die in den westlichen Demokratien in den letzten paar Generationen dominiert haben. Mein Interesse gilt der Frage, wie Gesellschaften wirksam auf diese Art von Bedrohung reagieren können.

Was bedeutet der Aufstieg des Populismus?
J. M.: Erstens bedeutet Populismus für viele verschiedene Menschen viele verschiedene Dinge; und viele verschiedene Dinge im Laufe der Zeit. Wenn wir uns auf das konzentrieren, was ich für seinen Kern halte - die Vorstellung eines Konflikts zwischen "dem Volk" und "den Eliten" - dann ist Populismus symptomatisch für ein Misstrauen gegenüber den Eliten. Und zweitens er ist ein Symptom für die Schwäche der herrschenden Institutionen und Ideologien. Noch vor einer Generation dominierten beispielsweise SPD und CDU die Wahlen in Deutschland. Das ist nun Geschichte. Viele Menschen trauen diesen einst dominierenden Institutionen und Parteien nicht mehr zu, die Eliten zur Verantwortung zu ziehen. Populismus in den verschiedensten Formen kann als Symptom eines weit verbreiteten Gefühls gesehen werden, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten außer Kontrolle geraten sind und keinen Bezug mehr zu den Interessen der einfachen Menschen haben. Er ist symptomatisch für das Gefühl, dass Probleme nicht wirksam angegangen werden und dass die Eliten nicht auf die Menschen in ihren Gesellschaften eingehen. Dies ist oft eine sehr reale Erfahrung. In diesem Sinne ist Populismus etwas, das wir auf viele verschiedene Arten angehen können.

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Sabine Letz

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