Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Für eine Arktisforschung, die indigene Rechte wahrt

03.05.2024

In der heutigen Arktisforschung werden oft koloniale Ungerechtigkeiten gegenüber indigenen Gemeinschaften fortgeführt. Ein Team von Expertinnen und Experten – darunter auch Forschende des RIFS – hat deshalb ein Positionspapier mit Empfehlungen veröffentlicht, die helfen sollen, indigene Rechte in der Forschung zu wahren und die Anerkennung der Gleichwertigkeit und Komplementarität von traditionellem Wissen, indigenem Wissen und akademisch-wissenschaftlichem Wissen zu fördern. Das Positionspapier leistet einen Beitrag zum mehrjährigen Planungsprozess des International Arctic Science Committees (IASC) im Vorfeld der vierten internationalen Konferenz zur Planung der Arktisforschung (ICARP IV).

To ensure that the rights of Arctic Indigenous Peoples are respected and to enhance the quality of research for all, Arctic research needs to be Indigenized.
Damit die Rechte der indigenen Völker der Arktis respektiert werden, muss die arktische Forschung indigenisiert werden.

Die ICARP-Konferenzen finden alle zehn Jahre statt. Die nächste Konferenz (ICARP IV) ist für 2025 in Colorado geplant. Ein im Vorfeld laufender Beteiligungsprozess soll Wissenslücken schließen und Forschungsprioritäten und Synergien in der internationalen Arktisforschung identifizieren. Dabei hat sich IASC selbst dazu verpflichtet anzuerkennen, dass traditionelles Wissen, indigenes Wissen und akademisch-wissenschaftliches Wissen gleichwertige und komplementäre Wissenssysteme darstellen. Um diese Selbstverpflichtung zu unterstützen, präsentiert das Positionspapier umsetzbare Empfehlungen für gerechtere und effektivere Erarbeitung von neuem Wissen über Wissenssysteme hinweg und Maßnahmen zur Unterstützung von indigen-geleiteter Forschung. Das Papier zielt mit seinen Ideen darauf ab, Zusammenarbeit in der Wissenschaft zu fördern und damit zu verbesserter Forschung beizutragen, die das Recht indigener Völker auf Selbstbestimmung wahrt.

Indigenisierung der Arktisforschung

Die Auswirkungen des Kolonialismus haben nach wie vor weitreichenden Einfluss auf die gesamte Arktisforschung und wirken sich auf Forschungsprozesse, -ergebnisse und -politik aus. Um sicherzustellen, dass indigene Rechte gewahrt werden und die Qualität der Forschung insgesamt zu verbessern, ist eine Indigenisierung der Arktisforschung essenziell. Das bedeutet eine Abkehr von vorherrschenden kolonialen Strukturen hin zu ganzheitlicher Gleichberechtigung, von der Projektplanung über die Entscheidungsfindung bis hin zu Forschungsstrategien, -prozessen und -finanzierung. 

Die Arktis ist die angestammte Heimat verschiedener indigener Gemeinschaften, die dort über Jahrtausende hinweg Expertise über und wechselseitige Beziehungen mit ihrer Umwelt aufgebaut haben. Ihr inhärentes Recht auf Selbstbestimmung schließt das Recht ein, Forschungsprozesse im Einklang mit ihren Werten und Bedürfnissen zu lenken und damit auch die Relevanz und Wirkung von Forschungsergebnissen zu verbessern. Die Auswirkungen der Kolonialisierung (die sich auch durch zunehmende Aktivitäten von externen Forschenden+ in der Arktis ausdrücken) haben zu ungleichen Machtverhältnissen in der Arktisforschung geführt. Indigene Gemeinschaften und Expertinnen und Experten führen auch heute weiterhin ihre eigene Forschung durch, stoßen dabei jedoch auf zahlreiche Barrieren im akademischen System, die ihre vollständige Beteiligung in und Führung von Forschungsprojekten behindern.

Unter der Leitung des Saami Councils wurde das Positionspapier von indigenen und nicht-indigenen Forschenden aus der Arktis und Europa gemeinsam verfasst. Es enthält umsetzbare Empfehlungen, die sich auf Dialog, Beziehungsaufbau und Selbstbestimmung fokussieren. Diese Prinzipien sind der Schlüssel zur Gewährleistung ethischer und effektiver Forschungspraktiken, die den Status, die Rechte und die Rolle indigener Gemeinschaften in der Arktis unterstützen. Die Empfehlungen, die in fünf Kapitel unterteilt sind, zielen darauf ab, die Gleichberechtigung und Komplementarität von traditionellem Wissen, indigenem Wissen und akademisch-wissenschaftlichem Wissen innerhalb von Forschungsprozessen zu fördern und verbesserte Forschungsergebnisse zu erzielen:

  1. Das Recht der indigenen Völker auf Selbstbestimmung als Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Arktisforschung; 
  2. Ethik und Methoden als Schlüssel für dekoloniale Forschung; 
  3. Indigen-geleitete Forschung in Design und Praxis; 
  4. Die gleichberechtigte Beteiligung indigener Expertinnen und Experten an der Finanzierung und der Entscheidungsfindung in der Arktisforschung, um dekoloniale Ansätze in der Arktisforschung umzusetzen; 
  5. Finanzierung für ko-kreative und indigen-geleitete Arktisforschung.

Die Entwicklung des Positionspapier wurde von der Europäischen Umweltinitiative (EURENI) des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) finanziert. Die Autorinnen und Autoren werden auch in Zukunft an den Veranstaltungen des ICARP IV-Prozesses teilnehmen und sich in den kommenden Monaten auf Konferenzen weiter über die erarbeiteten Empfehlungen austauschen.

Holmberg, A., Morin, E., Chahine, A. S., Doering, N. N., Dudeck, S., Fisher, C., Hermansen, N., Herrmann, T. M., Ikaarvik, Kramvig, B., Omma, E. M., Riedel, A., Saxinger, G., Scheepstra, A. J. M., van der Schot, J. (2023). Towards Arctic Research Upholding Indigenous Peoples’ Rights: Recommendations for ICARP IV, the International Conference on Arctic Research Planning. Saami Council, Research Institute for Sustainability – Helmholtz Centre Potsdam, Ecologic Institute. Kárášjohka – Potsdam – Berlin. https://doi.org/10.25365/phaidra.459
 

Kontakt

Evie Morin

Evie Morin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
evie [dot] morin [at] rifs-potsdam [dot] de
Nina Döring

Dr. Nina Döring

Forschungsgruppenleiterin
nina [dot] doering [at] rifs-potsdam [dot] de
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