Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Zweite Chance für Klimapolitik durch mehr Demokratie

30.05.2019

Die Hoffnung war groß als 2015 das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde. Die Staaten verpflichten sich darin, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. Die Bilanz seither ist jedoch ernüchternd: Fünf Jahre später steigen noch immer die Emissionen von CO2 und anderen klimarelevanten Stoffen. Mark Lawrence und Stefan Schäfer vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) argumentieren im Magazin „Science“, dass das zentralisierte System gescheitert ist. Mehr demokratische Beteiligung könne die globale Klimapolitik jedoch reanimieren.

Paris Agreement in 2015 - it offers hope by promising a more democratic climate politics
Das Erreichen ehrgeiziger globaler Temperaturziele erscheint zunehmend unplausibel, aber das im Jahr 2015 vereinbarte Pariser Abkommen gibt dennoch Hoffnung, weil es eine demokratischere Klimapolitik verspricht.

„Die Temperaturen steigen weiter an, die CO2-Konzentrationen erreichen jedes Jahr neue Höchstwerte und es wird zunehmend unrealistischer, selbst das 2-Grad-Ziel überhaupt noch einzuhalten“, urteilt Lawrence. Ursprünglich war das 1,5-Grad-Ziel anvisiert worden, für welches noch zirka 400 bis 600 Gigatonnen (Gt) CO2  emittiert werden dürfen. Da die Welt aber jedes Jahr über 40 Gt an CO2 ausstößt, Tendenz steigend, dürfte das CO2-Budget der Weltgemeinschaft für dieses Ziel in etwa einem Jahrzehnt aufgebraucht sein. Geht es in diesem Tempo mit den Emissionen weiter, so vergehen bis zum 2-Grad-Ziel nochmals etwa 15 Jahre - ab etwa 2045 könnte die Weltgemeinschaft das 2-Grad-Limit überschritten haben.

Das lange Festhalten an unrealistischen Szenarien zur Erreichung globaler Ziele, in denen etwa Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR), auch Negative Emissionen genannt, eine unverhältnismäßig große Rolle spielen, habe die Weltgemeinschaft nicht voran gebracht, konstatieren die beiden Experten. „Erst zur Mitte dieses Jahrhunderts wären wir mit den CDR-Technologien soweit, dass sie eine Möglichkeit der CO2-Entfernung in klimarelevanten Mengen darstellen könnte“, erklärt Prof. Lawrence „aber bis 2050 müssten wir bereits die klimaschädlichen Emissionen auf Null reduziert haben, um unter zwei Grad zu bleiben.“ Die beiden Autoren sehen eine „problematische Abhängigkeit von Zukunftstechnologien“. Problematisch, weil sie nur auf kleinen Skalen erprobt seien und es keinerlei Erfahrungswerte über einen großräumigen Einsatz gebe.

Einstellen auf Temperaturen jenseits der zwei Grad

Lawrence und Schäfer schlussfolgern, dass globale Klimaziele zwar gut seien, um Staaten eine Richtung vorzugeben und ein Feedbacksystem zu haben, inwieweit Maßnahmen zielführend seien. Jedoch schaffe dieses abstrakte und zentralisierte System keine Basis für effiziente Maßnahmen gegen die weitere Klimaerwärmung. Nun muss sich die Menschheit wahrscheinlich auf Temperaturen jenseits des 2-Grad-Zieles einstellen, so ihr Fazit.

Erfolgsversprechend sei das System der national festgelegten Beiträge (im Englischen Nationally Determined Contributions - NDCs), welches durch das Pariser Abkommen geschaffen wurde. Dieses eröffne neue Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung. „Der demokratische Charakter des Pariser Klimaabkommens erlaubt es, die Vielfältigkeit lokaler Kontexte zu berücksichtigen“, sagt Schäfer – „so kann die globale Klimapolitik reanimiert werden und auf demokratische Weise lokal verortete Transformationsprozesse zu mehr Klimaschutz fördern. Zugleich unterstützt uns eine demokratischere Politik auch dabei, besser in einer Welt zurechtzukommen, in der die Erwärmung eines Tages tatsächlich um mehr als zwei Grad steigt.“

Publikation:

Mark Lawrence und Stefan Schäfer: Promises and perils of the Paris Agreement, Science 31. May 2019, Vol 364, S. 6f.

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